25 Jahre Freiwilligen-Zentrum Wiesbaden

Teil 1: Vorläufer und FWZ-Gründung 1999

“Büro aktiv”: Pionierarbeit für bürgerschaftliches Engagement

Mit der Projektinitiative „Büro aktiv“ wurde 1994 durch Maria Rösler und Ellen Sommerfeld der Grundstein für die Entwicklung des heutigen Freiwilligen-Zentrums (FWZ) Wiesbaden gelegt. Beide hatten den Wunsch, nach dem vorzeitigen Ausscheiden aus ihrer beruflichen Tätigkeit ein Ehrenamt zu übernehmen. Daneben gingen sie der Idee nach, eine Vermittlungsstelle für Ehrenamtliche ins Leben zu rufen. „Wir wollten etwas machen, das gezielt Menschen ab 45 Jahren aufwärts anspricht, die finanziell abgesichert sind und für das Gemeinwohl etwas tun möchten, sprich ehrenamtliche Aufgaben übernehmen wollen“. Denn Fähigkeiten und Qualifikationen wie Organisationstalent, Kreativität und Einfühlungsvermögen, die im beruflichen Bereich erworben und erfolgreich eingesetzt werden konnten, seien auch im nachberuflichen Bereich von großem Nutzen. Galt es doch, mit und durch das geplante „Büro aktiv“ „nicht nur neue Tätigkeitsfelder aufzubauen und zu vermitteln, sondern auch die „Ehrenamtlichen“ zu betreuen und zu motivieren, wie etwa beim Projekt Großelterndienst, bei dem es in erster Linie um Beziehungsknüpfungen geht“. Die ehrenamtliche Arbeit sollte „kein Ersatz für Familie und Hobby sein, sondern eher eine Ergänzung“. Im Idealfall könnte „eigentlich alles parallel laufen“, also ehrenamtliche Tätigkeiten nicht erst nach Beruf und Familie, sondern auch schon in früheren Lebensphasen erfolgen.

Aus dem “Büro aktiv”  wird  “Aktiv nach Familie und Beruf”

Nach dem Vorbild des „Büro aktiv“ in Frankfurt (1992 gegründet) sollte folglich auch in Wiesbaden eine Vermittlungsstelle für Ehrenamtliche ins Leben gerufen werden. Institutionen und Verbände wurden angesprochen bzgl. ihres Bedarfs an Ehrenamtlichen, Informationsschriften wurden erstellt und verteilt, an Infoständen wurde die Idee der Öffentlichkeit vorgestellt, die Stadt wurde über das Vorhaben informiert und wegen finanzieller und organisatorischer Unterstützung angesprochen. Der damalige Oberbürgermeister Diehl stand der Idee und dem Vorhaben sehr aufgeschlossen gegenüber und sagte Unterstützung zu. Eine Räumlichkeit in der „Akademie für Ältere“ (Teil der VHS) wurde am 1. Ring (Kaiser-Friedrich-Ring 88/Ecke Moritzstraße) von der Stadt zur Verfügung gestellt, incl. Mobiliar, PC, Drucker und Telefon. Weitere ehrenamtliche Mitarbeiterinnen wurden schnell gewonnen (Elke Meyer, Frau Kiepe, später auch Else Keutmann und Frau Sallwedel). Der Büroraum war mittlerweile zu beengt, ein anderer Raum in der VHS wurde dann zur Verfügung gestellt. Die Informations-, Beratungs- und Vermittlungsarbeit wurde immer professioneller. Der Anfangsname „Büro aktiv“ wurde bald ersetzt durch „Aktiv nach Familie und Beruf“ (Quelle: Wiesbadener Wochenblatt 14.11.1996 u. Infoblatt).

Ziel und Inhalt dieser zivilgesellschaftlichen Initiative war nicht nur die Ermittlung von Bedarfen an Ehrenamtlichen bei Vereinen und sozialen Einrichtungen, die Gewinnung von Engagement-Interessierten und deren Vermittlung an Einsatzstellen sowie die notwendige Datenerfassung von Nachfrage und Angebot, sondern auch die Entwicklung eigener Engagement-Projekte. Neben der Werbung für ehrenamtliche Tätigkeiten wurde schnell auch der Bedarf an gezielter Information und Beratung, an Qualifizierung und Fortbildung und professioneller fachlicher Begleitung erkannt. Die persönlichen Fähigkeiten der Engagement-Interessierten, ihre Kenntnisse und Fertigkeiten aus beruflichen und privaten Tätigkeiten sowie ihre Lebenserfahrungen wurden als wichtiges „soziales Kapital“ für die zivilgesellschaftliche Entwicklung in der Stadt Wiesbaden betrachtet. Gute Beispiele von zahlreichen Neugründungen von Senioren- und Ehrenamtsbüros, Freiwilligenagenturen und ähnlichen Stellen in anderen Städten seit Anfang der 1990er Jahre gaben intensive Anstöße.

Der Name „Aktiv nach Familie und Beruf“ war sehr bezeichnend für die damalige konzeptionelle Ausrichtung und angestrebte Zielgruppen – und noch weit entfernt von der Konzeption von Freiwilligenarbeit und der Förderung bürgerschaftlichen Engagements und der Ausrichtung des heutigen Freiwilligen-Zentrums. Ziel war „eine Einrichtung, die junggebliebenen Ruheständlern Einsätze für gemeinnützige Aufgaben vermittelt“, eine „Anlaufstelle für aktive Senioren“. Zielgruppe waren also Menschen, „die nach Berufstätigkeit oder Kindererziehung bereit sind, ein bestimmtes Maß ihrer Freizeit für ein geeignetes ehrenamtliches Engagement herzugeben“. Anspruch war, „für jeden, der ernsthaft eine ehrenamtliche Aufgabe übernehmen will, auch eine Tätigkeit zu finden, die den jeweiligen individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen gerecht wird“.

Am 06. März 1996 hielt Maria Rösler in der Stadtbibliothek Wiesbaden einen Vortrag, um das begonnene Vorhaben der Anwerbung und Vermittlung von Ehrenamtlichen bekannter zu machen. Nach einer kurzen Einführung zu Anstoß und Entwicklungshintergrund in Frankfurt skizzierte sie die wesentlichen Ziele und gab einen Überblick über ca. 40 Tätigkeitsfelder möglichen Engagements bei ca. 30 Wiesbadener Organisationen. Weiterhin ging sie ein auf Anforderungen im Ehrenamt, auf die möglichst gute Abstimmung von Fähigkeiten und Wünschen sowie auf die Informations- und Beratungsarbeit des Büros. Und sie erläuterte den Ablaufprozess, wie man vom bloßen Interesse zum tatsächlichen Engagement kommt. Zudem berichtete sie, dass zu den 40 Engagement-Angeboten von ca. 30 Organisationen es schon 50 interessierte Personen gab und 22 schon vermittelt werden konnten (Quelle: Vortrags-Manuskript M. Rösler).

Am 10. März 1998 gab es im Haus von Maria Rösler ein Treffen der Projektgruppe „Aktiv nach Familie und Beruf“ mit weiteren interessierten Personen. Neben Informationen über die bisherige Entwicklung des Vorhabens seit 1994 wurden Fragen der Gründung eines Vereins, der möglichen Erhebung von Beiträgen und ihrer Höhe (für passive, nicht aktiv Engagierte) sowie der organisatorischen Weiterentwicklung und von Terminplanungen erörtert. Als größeres und zentrales Teilprojekt hatte sich der „Großelterndienst“ entwickelt, entsprechend den konzeptionellen Überlegungen und den angestrebten Zielgruppen (Quelle: Agenda des Meetings).

Am 29. Mai 1999 fand im Rathaus ein Symposium statt – mit dem Titel „Ohne Geld – aber nicht umsonst“. Durch Referate und Diskussionen in Arbeitsgruppen wurde nach Wegen zur Stärkung des Ehrenamts gesucht. Die Teil-nehmenden hatten die Vorstellung einer professionellen Vermittlungsstelle für an bürgerschaftlichem Engagement Interessierten, die es mit dem „Aktiv“-Büro im Ansatz ja schon gab, die aber gestärkt und in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gestellt werden sollte. Das schon bestehende Büro wurde dafür als geeignet angesehen, da es schon über ausgereifte Erfahrungen verfüge und große Entwicklungspotenziale besitze.

Am 23. Juni 1999 gab es im Museum Wiesbaden eine Veranstaltung der „Freunde der Kunst im Museum Wies-baden e.V.“ unter dem Titel „Ehrenamt für Wiesbaden“. Informiert wurden die 15 Teilnehmenden zunächst über das „Darmstädter Modell“, den Verein „Ehrenamt für Darmstadt e.V.“, der damals ca. 250 Mitglieder hatte, die sich in zahlreichen Kultureinrichtungen Darmstadts ehrenamtlich engagierten. In einer „lockeren Diskussionsrunde“ wurden dann in Wiesbaden anstehende Aufgaben der (ehrenamtlichen) Unterstützung im Bereich Kultur erörtert, ebenso der Bedarf und die Möglichkeiten der Übertragung des „Darmstädter Modells“ nach Wiesbaden.

Bereits am 1. September 1999 führten die bisherigen Diskussionen mit den Bestrebungen von Personen (vornehmlich aus dem Kulturbereich) zur Gründung des Vereins „Ehrenamt für Wiesbaden“ durch 11 Mitglieder (nach dem Vorbild in Darmstadt). Er diente zunächst vor allem der Unterstützung des Landesmuseums (Museumsshop, Café, Naturkundliche Sammlung, Bibliothek). In den Folgejahren hat sich der Verein strukturell stark verändert und in den Aufgabenbereichen erheblich erweitert, auch für andere Kultureinrichtungen. Ende 2008 bestand der inzwischen in „Ehrenamt Kultur“ umbenannte Verein aus ca. 100 Mitgliedern.

Das “Freiwilligenzentrum Wiesbaden” entsteht

Aus einer gewissen Enttäuschung über diese Entwicklung und mit z.T. anderen Zielvorstellungen fand dann am 23. Sept. 1999 in der VHS die Gründungsversammlung des Vereins „Freiwilligenzentrum Wiesbaden“ statt. Dieser neue Vereinsname löste den Namen „Büro aktiv“ ab und schloss sich der inzwischen gebräuchlichen Benennung in anderen Städten an. Er sollte nicht nur die Kultur als Engagementbereich im Blick haben, zugleich auch neue Formen des Ehrenamtes mit einbeziehen und durch Eindeutigkeit überzeugen. Teilnehmende der Gründungsversammlung waren Eva Betzelt, Elke Meyer, Ellen Sommerfeld, Renate Walther (alle aktiv engagiert im „Büro aktiv“), Hartmut Boger (VHS-Direktor), Margarethe Goldmann (Vorsitzende VHS e.V.), Angelika Schmidt (Leiterin der „Akademie für Ältere“), Angelika Thiels (stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin) und Rainer Völkel (Leiter des Jugend- und Sozialamts). Sie erörterten und beschlossen dann die Satzungen für den Verein „Freiwilligenzentrum Wiesbaden e.V.“ (Trägerverein) und den „Förderverein Freiwilligenzentrum Wiesbaden e.V.“. Für beide Vereine wurde ein identischer Vorstand gewählt: Ellen Sommerfeld als Vorsitzende, Margarethe Goldmann als Schriftführerin und Angelika Schmidt als Schatzmeisterin.

Unmittelbar danach wurde ein neues Konzept ausgearbeitet. 5 Zentrale Probleme wurden zunächst dargestellt: „Büro aktiv“ als alter und ungeeigneter Name des Vereins, Fehlen einer Rechtsstruktur, Fehlen von Finanzmitteln, ungesicherte Kontinuität der Arbeit durch ausschließlich Ehrenamtliche, Raumprobleme in der VHS und ungesicherte und dauerhaft nicht tragbare mietfreie Nutzung des Raums und der Infrastruktur der VHS (z.B. Telefon, Kopien, Porto). Angestrebt wurde die Beschäftigung eines/r festen Mitarbeiters/in (evtl. 2 halbe Kräfte). Für das Jahr 2000 wurde ein Wirtschaftsplan aufgestellt, der einen Finanzbedarf von insgesamt 102.000 DM auswies, wobei 9.000 DM aus Eigenmitteln, 67.000 DM durch Drittmittel (z.B. ABM) und 26.000 DM durch Zuschüsse der LH Wiesbaden aufgebracht werden sollten. „Um den Gedanken des bürgerschaftlichen Engagements … weiterzuverfolgen“, wollten ..“die Initiatoren gleichzeitig mit dem Aufbau einer Bürgerstiftung für Wiesbaden beginnen“. In dem Maße wie dies gelingen könnte, „sollen die städtischen Mittel dann nicht mehr in Anspruch genommen werden“. Ein Kuratorium „von möglichst vielen im Gemeinwesen Verantwortung tragenden Personen aus verschiedenen Lebens- und Arbeitsbereichen getragen … und überparteilich aufgebaut.“, sollte „den Weg der Stiftung bestimmen und begleiten“. Neben den Zinserträgen aus der Bürgerstiftung sollten Spenden-einnahmen und Erträge aus Fundraising-Mitteln für definierte Projekte (einzuwerben über den Förderverein) zu einer tragfähigen und dauerhaften Finanzierung beitragen (Quelle: Neues Konzept FWZ, 29.9.1999)

Eine fortgesetzte Gründungsversammlung durch die gewählten Vorstandsmitglieder am 15.12.1999 führte zu einigen Änderungen der Erstfassung der Satzungen, besonders im Hinblick auf die Zwecke der beiden Vereine und daraus resultierende Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit, die Eintragungen im Vereinsregister, die Einberufung der Mitgliederversammlungen und die Verwendung des Vermögens bei einer evtl. Auflösung der Vereine.

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