25 Jahre Freiwilligen-Zentrum Wiesbaden

Teil 2: Externe Anstöße und neue Entwicklungsdynamik 2001

 

Die Anfänge des Freiwilligen-Zentrums-Wiesbaden ab 1999

Die mit der Vereinsgründung des FWZ 1999 verbundenen Hoffnungen, schnell viele Mitglieder und Förderer zu gewinnen und eine tragfähige Basisfinanzierung durch Mitgliedsbeiträge, Drittmittel, städtische Zuschüsse und einzuwerbende Sponsorengelder zu erreichen, erfüllten sich zunächst nicht. Im Jahr 2000 wurde daher die begonnene Informations-, Beratungs- und Vermittlungstätigkeit des FWZ ausschließlich ehrenamtlich geleistet. Die schon beim „Büro aktiv“ seit 1994 tätigen 6 Ehrenamtlichen waren weiterhin sehr engagiert, 3 Neue kamen 1999 dazu. Die durchgeführten Gespräche mit vielen Vereinen und sozialen und kulturellen Organisationen führten zu einem laufend sich erweiternden Angebot von Engagement-Möglichkeiten, „von der Budgetplanung im Kinderschutzbund, über die Mitarbeit bei der Organisation der Krebshilfe e.V. bis hin zu Betreuungsaufgaben in Krankenhäusern“. Andere Engagementbereiche waren z.B. die Begleitung von Älteren bei Spaziergängen oder Besorgungen, Hausaufgabenbetreuung in Grundschulen und Vorlesen, Musizieren und Bewegen mit Kindern, das „Eltern-Stress-Telefon“ beim Kinderschutzbund, Mithilfe bei der Organisation von Festen und Veranstaltungen, Büroarbeiten, Telefondienste, bis hin zu Aufgaben der gesetzlichen Betreuung (Vormundschaften, Pflegschaften).

Zur Arbeitsweise der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen gehörte u.a., Engagement-Interessierte zu Vorstellungsgesprächen in Einrichtungen zu begleiten, und sie begleiteten die Engagierten auch während ihrer ehrenamtlichen Tätigkeiten und gaben ihnen „mit der Durchführung von Workshops das Gefühl, eine Lobby zu haben“. Angesprochen wurden sowohl Personen, die sich bereits im Ruhestand befanden, aber verstärkt auch diejenigen, die noch im Beruf standen und ihr nachberufliches Leben rechtzeitig planen und vorbereiten wollten, sowie auch Frauen, deren Kinder bereits erwachsen waren und die neue Kontakte und Aufgaben suchten. In Fortführung und Weiterentwicklung des früheren „Büro aktiv – nach Familie und Beruf“ wollte das FWZ auch „Schaltstelle sein“ zwischen Menschen mit beruflichen Qualifikationen und Lebenserfahrungen einerseits und „ausgesuchten Institutionen“ in sozialen und kulturellen Bereichen mit geeigneten Aufgaben für ehrenamtliche Tätigkeiten andererseits. Um auch nach der Vermittlung weiterhin Anlaufstelle für die aktiv Engagierten zu sein, sollten verstärkt auch Gruppentreffen von Engagierten für den Erfahrungsaustausch sowie Workshops zur Fort- und Weiterbildung zu vielen relevanten Themen angeboten werden. Das Fehlen hauptamtlichen Personals und der hohe Organisations-, Zeit- und Betreuungsaufwand setzte diesem Vorhaben aber zunächst noch enge Grenzen.

 

Schwerpunkt: Der Großelternservice

Als ein Schwerpunkt hatte sich schon beim FWZ-Vorläufer „Büro aktiv“ der „Großelternservice“ entwickelt, der beim FWZ in den Folgejahren weitergeführt und ausgebaut wurde. Dabei ging es „nicht um eine Stellenvermittlung, sondern um eine Beziehungsvermittlung zwischen Jung und Alt“. “Durch die Vermittlung von „Ersatzomas und -opas“ werden Eltern, die nicht auf „echte Großeltern“ zurückgreifen können, entlastet, indem sie ihre Kleinen für ein paar Stunden in guter Obhut wissen“. Zahlreiche Kinder kamen so (zeitweise) zu „Leih-Großeltern“. In Zusammenarbeit mit einem Kinderhaus betreute der „Großelterndienst“ „zudem am Donnerstagabend die Kids, um Eltern einen „kinderfreien“ Einkauf zu ermöglichen“ (Quelle: Infoblatt Büro aktiv).
(Der Großelternservice wurde später in gemeinsamer Trägerschaft von Nachbarschaftshaus Biebrich, LAB und evangel. Familienbildung weitergeführt, im Jahr 2022 aber beendet.).

 

Externe Einflüsse und Forschungsimpulse 

Wichtige Anstöße für die Entwicklung der Freiwilligenarbeit und der Engagementförderung auch in Wiesbaden und beim Freiwilligenzentrum kamen besonders im Jahr 2001 von übergeordneten Ebenen, nämlich aus der Engagementforschung und der (internationalen und nationalen) Engagementpolitik; zudem fand in Wiesbaden im Okt. 2001 ein bedeutsamer Workshop statt, der Impulse für die Weiterentwicklung auslöste.

Mit dem ersten bundesweiten Freiwilligensurvey 1999 wurde erstmals eine umfassende empirische Bestandsaufnahme zu Art und Ausmaß von Ehrenamt und Engagement vorgelegt. Die Ergebnisse der Repräsentativbefragung von ca. 15.000 Personen haben zu einem genaueren Bild von Ehrenamt, Freiwilligenarbeit, Selbsthilfe und vielfältigen Formen bürgerschaftlichen Engagements geführt. Damit entwickelte sich auch ein schärferes Bewusstsein über die Vielzahl der einzelnen Bereiche, Formen und Initiativen, „ein gesellschaftliches Handlungsfeld eigener Art“. Zunehmend wurde der gesamte Freiwilligenbereich „damit auch ein eigenes Politikfeld“. Das von den Vereinten Nationen initiierte „Internationale Jahr der Freiwilligen“ 2001 und die Arbeit der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zur „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ (wegweisender Abschlussbericht 2002 veröffentlicht) gaben weitere wichtige Anstöße und waren bedeutsame Marksteine in der Entwicklung bürgerschaftlichen Engagements und der Engagementpolitik.

2001 begann auch in Wiesbaden die datenbasierte Engagementforschung: das Amt für Statistik und Stadtforschung (Verfasser: K. H. Simon) legte unter dem Titel „Bereiche und Formen des bürgerschaftlichen Engagements“ eine erste Bestandsaufnahme der Engagement-Strukturen in Wiesbaden vor, offiziell im Auftrag des Jugend- und Sozialamts im Sozialdezernat und aus Anlass des von den Vereinten Nationen ausgerufenen
1. Internationalen Jahres der Freiwilligen 2001. Der Bericht umschreibt 1. Gegenstand und Ziele, 2. die unterschiedlichen Begriffsinhalte zu „Ehrenamt“, „Neues Ehrenamt“, „freiwilliges soziales Engagement“, „Bürgerengagement/bürgerschaftliches Engagement“, „Selbsthilfe“, „Bürgerarbeit“, weiterhin Anlässe und gesellschaftliche Ursachen der Thematisierung von Bürgerengagement sowie gesellschaftstheoretische Hintergründe, macht 3. eine umfassende Bestandsaufnahme von Engagement-Aktivitäten in 15 Bereichen (angelehnt an den
1. bundesweiten Freiwilligensurvey 1999, mit zahlreichen illustrierenden und detaillierten Beispielen aus den Engagementbereichen in Wiesbaden) und skizziert 4. einige Konsequenzen und Strategien für die Entwicklung eines Gesamtkonzepts für die Förderung von Ehrenamt und Bürgerengagement in Wiesbaden. Der Bericht wurde dem Sozialausschuss vorgelegt und dort erörtert, insbesondere auch im Hinblick auf die weitere finanzielle Förderung des Freiwilligen-Zentrums. (Bericht ist nur als Beleg-Exemplar vorhanden, nicht als Datei).

Unter dem provokativen Titel „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! -Wie bitte?“ veranstaltete der Dietrich-Bonhoeffer-Verein vom 19.-21.10.2001 in der Stephanus-Gemeinde ein Herbstseminar zum Thema „Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt in Staat, Kirche und Gesellschaft“. Mitveranstalter waren: Offenes Forum Wiesbaden, Evangelische Marktgemeinde Halle/Saale, evangel. Stephanusgemeinde Wiesbaden, die VHS Wiesbaden und das Freiwilligenzentrum Wiesbaden, zudem noch als Kooperationspartner das Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen. Renommierte Referenten aus Forschung (z.B. Prof. Dr. A. Evers-Mitglied der Enquete-Kommission), Publizistik (Dr. W. Dettling, Dr. Th. Leif), evangel. Kirche, Sozial- und Stadtteilarbeit und Sozialverbänden gaben Informations-Inputs und erörterten mit den zahlreich Teilnehmenden in Arbeitsgruppen die wachsende Bedeutung von gemeinnützigen Vereinen, freiwilligen Vereinigungen und international tätigen Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) mit ihren sozialen und politischen Gemeinwohlaufgaben als „Dritten Sektor“ der Gesellschaft (neben Staat und Wirtschaft). Das Konzept einer „Bürgergesellschaft“ („Zivilgesellschaft“) mit neuen und erweiterten Formen und Möglichkeiten des Engagements und der Beteiligung („Partizipation“) und Fragen zur Weiterentwicklung von „Formen unserer Demokratie“ bildeten einen weit gefassten und spannenden Rahmen, der auch für die konzeptionelle Weiterentwicklung des FWZ nicht wirkungslos blieb.

 

Professionalisierung und Neuausrichtung ab 2001

Nach der Schaffung einer Halbtagsstelle und deren Besetzung durch eine hauptamtliche Kraft (Dr. Sabine Möllers) ab Mai 2001 fand im FWZ eine Neustrukturierung und Professionalisierung der Arbeit statt in den Bereichen

  1. Büroorganisation (erweiterte Öffnungszeiten, Beratungen auch nachmittags für Berufstätige, Anschaffung eines neuen PCs und Druckers, spezielles EDV-Programm „Freinet“ für Freiwilligenagenturen, Bereinigung der in der Kartei geführten Engagement-Interessierten und der Organisationen und Einsatzstellen),
  2. neue und wiederbelebte Kontakte zu Wiesbadener Organisationen (Besuche und Gespräche vor Ort, Kontakte zu neuen Einrichtungen, Entwicklung neuer Engagementfelder, Angebote von Kurzzeitprojekten über einen Zeitraum von wenigen Tagen bis zu 3 Monaten)
  3. Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit und Klientenwerbung (neuer Flyer, Infostand auf dem „Markt der Möglichkeiten“ in den Kurhauskolonnaden, 2 Klärungsseminare „Wie und wo kann ich mich engagieren?“ in Zusammenarbeit mit der VHS, Workshops mit Organisationen zur Vorstellung von Engagement-Möglichkeiten, Pressekonferenz und Radiosendung um das FWZ bekannter zu machen, gemeinsamer Infostand mit der Hessischen Staatskanzlei auf der „Seniorenmesse“ in den Rhein-Main-Hallen, gemeinsame Weiterbildungsseminare mit der VHS Wiesbaden für Jugendliche mit zielgruppenspezifischen Engagement-Angeboten, eigenständige Webseite des FWZ, halbjährlich erscheinendes Heft mit aktuellen Angeboten und Informationen zu Seminaren, Workshops und anderen Veranstaltungen, gesponserte Danke-Anzeigen).
  4. Planung von Projekten (z.B. Vorlesen in Schulen, Corporate Citizenship – bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen). (Quelle: Jahresbericht 2001)

Eine Übersicht listet 25 verschiedene Engagementfelder mit einer Vielzahl von fast 100 konkreten Engagement-Tätigkeiten auf, aus denen Interessierte auswählen konnten. Zusätzlich gab es Kurzzeitprojekte sowie spezielle Projekte und Tätigkeitsfelder, für die eine vorausgehende Ausbildung erforderlich ist (z.B. Kinder- und Jugendtelefon, Telefonseelsorge, Aidshilfe). Nach der gründlichen Revision waren Ende 2001 70 Personen weiter ehrenamtlich aktiv, Kooperationen gab es mit 59 sozialen und kulturellen Einrichtungen (davon 15 neu). Von Mai bis Okt. 2001 wurden 54 Beratungen durchgeführt und es erfolgten 28 Vermittlungen. Positiv entwickelte sich die Kooperation mit dem Verein „Ehrenamt für Kultur“, mit einigen Tauschringen in der Stadt und mit dem Kulturamt.

In der Mitgliederversammlung am 27.11.2001 wurde Margarethe Goldmann zur neuen Vorsitzenden gewählt, Rainer Völkel zum Schriftführer und Angelika Schmidt zur Schatzmeisterin. Die vorbereiteten Satzungsänderungen wurden von der Mitgliederversammlung beschlossen. Die Finanzlage war „relativ bescheiden“ und über-schaubar: der Trägerverein konnte im Jahr 2001 bei Einnahmen von 34.766 DM und Ausgaben von 32.083 DM (davon 75 % Personalkosten) eine Rücklage von 2.683 DM für das Folgejahr bilden. Der Förderverein unterstützte mit 3.828 DM, die zur Anschaffung eines neuen PCs mit Drucker und der Software Freinet verwendet wurden.

 

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